Sorgfaltspflichten des Stallbetreibers bei Eingliederung eines neuen Pferdes
OLG Brandenburg, Urteil vom 16.02.2021, Aktenzeichen 3 U 6/17
Die Weidesaison beginnt! Passend hierzu möchte ich euch eine interessante Entscheidung des OLG Brandenburg präsentieren. Sie beschäftigt sich mit der Haftung des Stallbetreibers für die Weideverletzung eines Pensionspferdes. Nach Auffassung des Gerichts sind an die Vorgehensweise bei der Eingliederung/Herdenzusammenführung hohe Anforderungen zu stellen. Zahlreiche Positionen sind im Rahmen des Schadensersatzes zu berücksichtigen.
Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zu Grunde: Der Kläger, neu in der Zuchtszene und unerfahren, hatte seinen Shagya-Araber Jährlingshengst zur Aufzucht in den Pensionsbetrieb der Klägerin gegeben. Dort wurde dieser ohne Eingliederungsmaßnahmen einer bereits existierenden Herde von 5 Hengsten im Alter von 1 1/1 bis etwa 2 1/2 Jahren beigefügt. Der junge Hengst wurde durch die anderen Herdenmitglieder erheblich verletzt und erlitt zahlreiche Biss- und Trittverletzungen. Unglücklicher Weise stellte sich zudem eine verletzungsbedingte Ataxie ein. Es war eine umfangreiche tierärztliche Behandlung nebst Klinikaufenthalt notwendig.
Der Kläger machte die Wertminderung, die Behandlungs- und Transportkosten, sowie die außergerichtlichen die Rechtsanwaltsgebühren geltend.
Nach Auffassung des Gerichts habe die Beklagte die Verletzung des Hengstes durch die grob fahrlässige Verletzung ihrer Obhutspflichten verursacht, da sie gegen allgemein anerkannte Vorgaben zur Eingewöhnung neuer Mitglieder in eine bestehende Herde verstieß. Da es sich bei dem Pferd des Klägers um seinen ersten Zuchtversuch handelt, hätte die Beklagte auf mögliche Gefahren hinweisen müssen. Das Unterteilen der Weidefläche wäre zudem möglich gewesen, ohne bei den anderen Pferden für Stress zu sorgen. Ein aggressives Verhalten, wie Beißen oder Treten sei zwar nicht beobachtet worden, allerdings reiche ein Kontrollgang pro Tag nicht aus, um dies auszuschließen. Es verbleibe somit dabei, dass das Pferd durch tierisches Verhalten verletzt worden ist.
Die geltend gemachte Wertminderung des Pferdes um 30.000€ sei fraglich, da die weitere Entwicklung ohne diesen Vorfall ungewiss ist. Nach sachverständiger Einschätzung liege die Wertminderung des Pferdes bei lediglich 1000€. Das mittlerweile 9 Jahre alte Pferd leide derzeit nur noch an einer Störung der Bewegungskoordination, die für einen Nichtfachmann kaum wahrnehmbar sei. Die Nutzung des Wallachs für reiterliche Zwecke sei somit nicht ausgeschlossen.
Dem Kläger stünde ferner ein Teilbetrag der geltend gemachten materiellen Schäden zu. Dieser orientiere sich an dem Maß des Verschuldens der Beklagten und an der Verhältnismäßigkeit der verletzungsbedingten Aufwendungen. Zu dem Zeitpunkt der Schädigung war das Pferd noch im Fohlenalter und hatte somit eine Lebenserwartung von über 20 Jahren. Die aktuellen Einschränkungen sind zwar nur noch gering, das Affektionsinteresse des Klägers ist allerdings extrem hoch gewesen, da es sich um seinen ersten und einzigen Zuchtversuch handelt.
OLG Brandenburg, Urteil vom 16.02.2021, Aktenzeichen 3 U 6/17